Sag mal, geht bei euch überhaupt etwas im Bett? Geht das denn überhaupt?

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Diese Art von Fragen bekomme ich fast täglich zu hören. Ihr auch? Kann ich mir irgendwie nicht vorstellen!

Nun, ich erlöse euch von den „Qualen“ und beantworte diese Fragen.

Ich würde sogar sagen, dass bei uns so einiges im Bett abgeht. Manchmal stelle ich fest, dass unser Sexleben um einiges aufregender und fantasiereicher ist, als das von anderen Paaren. Wenn mir manche Menschen von ihrem Sexleben erzählen, dann überkommt mich manchmal das Gefühl von „Mitleid“ und das stimmt mich hin und wieder traurig. 😀

Aber ich verschone euch jetzt mit näheren Details bezüglich unserer Vorlieben!

Nein, jetzt mal im Ernst. Früher habe ich mich total darüber aufgeregt, wenn man mir diese Frage gestellt hat. Aber im Nachhinein habe ich mich selbst dabei ertappt, dass ich mich auch bei manchen Menschen mit Behinderung gefragt habe, wie sie ihre Sexualität ausleben können. Mittlerweile finde ich es auch in Ordnung, wenn man solche Fragen stellt. Nur sollte man niemals und ich betone hiermit auch noch mal NIEMALS einem Menschen die Sexualität absprechen und eben zu denken, dass der- oder diejenige kein Sexualleben hat, weil er oder sie mit einer Behinderung lebt.

In diesem Zusammenhang fällt mir auch eine Situation aus meiner Jugend ein. Es war ungefähr in der zehnten Klasse. Es gab da diesen… ich nenne ihn mal Marc. Marc und ich waren auf irgendeine Weise total ineinander verknallt, zueinander gefunden haben wir jedoch nicht. Es war diese gewisse Spannung zwischen uns, dieses Kribbeln und die Schmetterlinge im Bauch.. Wir hatten so viele schöne Momente, in denen wir uns nahe waren. Gleichzeitig aber hörten diese Momente auch plötzlich auf und wir distanzierten uns von der einen Sekunde auf die andere voneinander. Dies wechselte immer wieder… Ich habe mich immer gefragt, warum wir nicht wirklich zueinander finden konnten. Gut, zu seiner Verteidigung muss ich hier auch sagen, dass ich es ihm nicht einfach gemacht habe. Ich komme aus einer streng religiösen Familie und hatte auch selbst die Überzeugung, dass ich mit niemandem zusammen sein möchte, der nicht meinen Glauben teilt… Zudem gehörte auch noch sowas ´wie kein Sex vor der Ehe´dazu… Aber bei Marc gab’s auch etwas, das ihn hinderte, ich wusste nur nicht was es war. Nach unserem Abschluss trennten sich auch unsere Wege; wir haben zwar noch ab und zu miteinander geschrieben, aber uns nie wieder gesehen. Ich habe so oft mit meiner Freundin darüber gesprochen, dass ich es einfach nicht verstand, was das zwischen uns war und warum es so zu Ende gegangen ist.

Irgendwann erzählte sie mir, dass Marc mit ihr über mich gesprochen hat. Er hat ihr wohl seine ganzen Zweifel, die er hatte, geäußert. Er stellte sich eine Beziehung mit einer Frau, die im Rollstuhl sitzt, kompliziert vor und überhaupt ging er davon aus, dass ich keinen Sex haben könnte. Er sagte meiner Freundin, dass ihm der Sex in der Beziehung sehr wichtig sei und er darauf auf gar keinen Fall verzichten möchte.

Als ich das hörte, war ich einfach wütend und zutiefst enttäuscht, weil er nie mit mir darüber gesprochen und das für sich entschieden hat. Das traf mich sehr und hat mich auch lange beschäftigt. Nun könnte man an dieser Stelle sagen, dass er jung und dumm war oder es auf die jugendliche Leichtsinnigkeit schieben. Vielleicht war es das auch…

Aber irgendwie erstreckt sich diese angebliche „Dummheit“ oder die jugendliche Leichtsinnigkeit über jegliches Alter unserer lieben Männer (betrifft sicherlich auch die Frauen;)). Wenn sie etwas älter sind, haben sie Marc nur eins voraus: Sie sprechen mich auf das Thema an und manche fragen mich ganz direkt, ob ich Sex haben kann.

Wenn man fragt, ob jemand Sex haben kann, dann denke ich mir, dass man das auf irgendeine Art und Weise ausschließt, ansonsten würde man diese Frage nicht stellen. Man würde mir eventuell, wenn man das in Betracht zieht, dass ich Sex haben kann, die Frage stellen, inwieweit der Sex vielleicht anders ist oder Ähnliches…

Diese ganzen Fragen bezüglich meines Sexuallebens haben so weit geführt, dass ich irgendwann selbst die Frage an mich gestellt habe, ob ich Sex haben kann und auch anfing daran zu zweifeln. Und überhaupt fragte ich mich, ob ich als vollwertige Sexualpartnerin in der Männerwelt betrachtet werde…

Nun habe ich einen Partner und ein Sexualleben 🙂 Es hat zwar ein wenig gedauert bis es bei uns zum ersten Mal kam, aber wir haben auf jeden Fall einen Weg gefunden.

Wir haben dafür eine sogenannte Sexualassistenz gesucht und gefunden. Sie ist unter anderem auch eine Tantramasseurin und besitzt ihre eigene Praxis. Am Anfang hat sie uns bei meinem Verlobten zu Hause besucht, irgendwann haben wir doch gemerkt, dass es für eine Person zu anstrengend ist uns beim Sex zu assistieren. Dementsprechend entschlossen wir uns, eine zweite Person hinzuzuziehen. Unsere Sexualassistentin hat uns vorgeschlagen ihren Partner zu fragen, der ebenfalls Tantramassagen anbietet. Seitdem sind wir ein „Vierer-Team“, ich weiß nicht, wie ich es sonst nennen soll 😀

Da wir für zwei Stunden Sex, für unsere Verhältnisse eine Menge Geld zahlen müssen, ca. 500 €, haben wir uns entschieden zu dem Pärchen nach Hause zu fahren (oder besser gesagt in ihre „Praxis“), weil es dann ca. 100 € günstiger für uns ist. Ich habe es bereits in einem Blogeintrag geschildert, dass wir eine Stunde Fahrt auf uns nehmen, um die Sexualassistenz in Anspruch nehmen zu können. (http://einfach-katja.de/?p=79)

Wenn wir dort angekommen sind, besprechen wir kurz, wo und wie unsere Assistenten ihre Zeit währenddessen verbringen.

Wir lassen uns dann noch kurz von unseren Assistenten auf das Bett legen. Wenn wir schnell zur Sache kommen möchten, dann lassen wir uns noch eben von unseren Assistenten ausziehen und dann widmen sie sich ihren eigenen Beschäftigungen.

Wenn ich meinen Freunden oder Bekannten die Sexualassistenz erkläre, sage ich immer, dass die Sexualassistenz die Kraft in unseren Händen ist.Wir sind beide nicht in der Lage unsere Hände und unseren Körper zu bewegen (die Hände minimal). In diesen zwei Stunden, die wir uns einmal im Monat leisten können, ist es uns möglich uns überall in erotischer Hinsicht anzufassen, weil unsere Sexualassistenten unserer Hände nehmen und diese dort hinführen, wo wir es uns in dem Moment wünschen. Wenn sich mein Partner zum Beispiel einen Handjob von mir wünscht, lege ich meine Hand um seinen Penis und die Sexualassistentin legt ihre Hand um meine, um für mich die Bewegungen und den Druck von außen auf meiner Hand auszuüben (ist mir auch alleine möglich, allerdings ist es sehr kräftezehrend für mich!). Die beiden bringen uns in jegliche Stellungen, die wir uns wünschen oder ausgedacht haben, führen seinen Penis in mich hinein und übernehmen die rythmischen Bewegungen nach unseren Anweisungen und Vorstellungen usw. Bei den verschiedenen Stellungen ist uns der Lifter häufig behilflich, den ich bereits in einem meiner Einträge erwähnt habe. Wenn ich oben sein möchte, dann hänge ich mich in den Lifter und wenn mein Schatz über mir sein möchte, dann hängt er sich hinein.(http://einfach-katja.de/?p=38) Mit viel Kreativität und Fantasie ist eigentlich so ziemlich jede Stellung möglich, manchmal sieht es vielleicht so aus wie Kamasutra 😀 Wenn die zwei Stunden dann rum sind, kommen unsere Assistenten wieder, ziehen uns an und fahren mit uns nach Hause.

Ich hoffe, ihr könnt euch jetzt ungefähr vorstellen, was eine Sexualassistenz bei uns so macht 😉

Ob es komisch ist zwei weitere Menschen beim Sex dabei zu haben?

Am Anfang auf jeden Fall! Und es gibt immer noch Momente, in denen ich mir zum Beispiel denke, wenn die beiden Sexualassistenten jetzt nicht da wären, dann würde ich dies und das zu meinem Tim sagen. Wobei die beiden absolut gar nichts dagegen einzuwenden hätten, im Gegenteil sie befürworten Dirty-Talk nur. Aber irgendwie komme ich mir dann albern vor, wenn wir nicht alleine sind…. 🙂 Das lerne ich sicherlich auch noch! Ansonsten kann ich mich mittlerweile ganz gut fallen lassen und alles andere um mich herum ausblenden.

Unser Sexualassistenten sind mittlerweile auch ein wichtiger Bestandteil unserer Beziehung, durch sie konnten/können wir uns näher kommen und unser Sexualleben entfalten und ausleben. Das Beste an den beiden ist, dass sie wirklich offen für alles sind und ich das Gefühl habe, dass ich jeden Wunsch und jede Art von Vorlieben äußern kann, ohne dass es mir peinlich sein braucht, denn nur dann kann man sich wirklich fallen lassen und jemanden in solch einen intimen Moment herein lassen!

Eure

Katja <3

Noch Lust auf Sex?

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An Tagen wie diesen, wache ich in einer Kuschelposition mit Tim auf. Wir küssen uns, um richtig wach zu werden und streicheln uns, soweit es uns ohne Assistenz möglich ist.
In diesem Moment würde ich eigentlich am liebsten unter die Bettdecke huschen. Meinem Schatz einen intensiven Blowjob geben. Es würde auch gar nicht lange dauern bis er mich auf den Rücken schmeißen und mir Spaß bereiten würde. Anschließend hätten wir kuscheligen, romantischen Sex, der dann in wilden Sex ausahten würde, mit festem Zupacken an den Haaren, mit ein paar Klapsen auf dem Po u.s.w…ihr wisst ja, wie das ist 😉
Die Betonung liegt hier aber auf „hätte“, „würde“, heißt nicht, dass das alles nicht möglich ist, nur bis dahin dauert es eben.
Aber jetzt heißt es wohl aufstehen: ich muss mich von ihm losreißen, das kuschelige Bett verlassen und vor allem alleine in die Dusche (zusammen duschen, geht leider nicht). Meine Assistentin holte mich aus dem Bett. Ich sah ihr an, dass sie keine erholsame Nacht hatte. Es tat mir auch irgendwie leid. Wahrscheinlich habe ich sie nachts oft gerufen oder sie wurde noch zusätzlich von der Klingel meines Liebsten wach (unsere jeweiligen Assistenten schlafen in einem Zimmer und wenn einer von uns klingelt, werden beide Assistenten wach).
Sie wirkte müde, ein wenig gestresst und angespannt. „Auch das noch“, dachte ich mir. Ich wollte ihre Laune heben, aber auf der anderen Seite wollte ich das doch nicht. Denn mir ging es in diesem Moment auch beschissen: ich wollte Sex und auf Assistenz hatte ich ehrlich gesagt auch keinen Bock! Aber das ließ sich eben nicht ändern.
Wir merkten beide, dass wir „keine Lust aufeinander hatten“, also haben wir begonnen Smalltalk zu führen, um die Situation aufzulockern. Aber auch das gelang nicht so richtig. Das große Schweigen trat ein. Ich versuchte es auszublenden und nur noch daran zu denken, wie der Sex heute sein wird… klingt egoistisch?
Ich finde nicht. Solche Situationen kommen häufig vor. Das ist nun mal so. Man arbeitet sehr eng zusammen und jeder kommt an seine Grenzen. Beschissen ist es nur, wenn man sich in solchen Momenten nicht aus dem Weg gehen kann und ich in dem Fall auf Hilfe angewiesen bin.

Zu dem kam hinzu, dass das Bad meines Verlobten sehr chaotisch und nicht besonders groß ist. Das erhöhte den Stressfaktor der Assistentin in diesem Moment, weil sie nicht genügend Platz hatte, um das Duschgel, Schampoo u.s.w. abzustellen…Ich sagte ihr, dass sie sich nicht stressen soll, schließlich bin ich eine Stunde früher aufgestanden. Aber auch das brachte nichts und so langsam merkte ich, dass ich bald platzte, weil ich jetzt auch genervt bin, denn ich konnte nichts dafür, dass ich oft gerufen habe. Wir beide ließen zwischendurch zickige Kommentare los.
Ich war dann froh, dass ich irgendwann fertig gemacht in meinem Rollstuhl saß.
Ich habe es nicht geschafft zu frühstücken und wir hatten schon 13:45 Uhr. Zeit zum Fahren, denn um 15 Uhr erwartetenuns unsere Sexualassistenten bei sich Zuhause. Wenn ich hungrig bin, werde ich zur Diva, also stopfte ich mir noch schnell eine Scheibe Toastbrot in mich (natürlich mit Hilfe meiner Assistentin).
Wir zwei düßten anschließend schnell zu Tims Auto und nach dem Anschnallen unserer Rollstühle, hatten meine Assistentin und ich endlich Zeit zum durchatmen und ein wenig Abstand voneinander zu nehmen. Ich hatte um ehrlich zu sein auch keine Lust mehr auf Sex, weil mir das alles zu anstrengend war… Mein Schatzi neben mir war total irritiert von meiner schlechten Laune, weil ich vorhin im Bett noch gut gelaunt mit ihm rumgealbert habe. Aber da er meine ab und zu vorkommende launische Art kennt, ließ er mich erst mal in Ruhe.
Es vergingen keine paar Minuten und ich wurde schon wieder redselig. Langsam bekam ich auch mit, dass meine Assistentin sich beruhigt hatte und wieder ein wenig auftaute. Somit war die Situation nach kurzer Zeit aufgelockert und die schlechten Launen verzogen sich ganz schnell.
Als wir dann bei unseren Sexualassistenten angekommen sind, hatten meine Assistentin und ich noch zusätzlich zwei Stunden Abstand voneinander und jeder von uns konnte sich auf eigene Art und Weise ablenken. Ich hatte wundervollen Sex und meine Assistentin bekam bei unseren Sexualassistenten ein eigenes Zimmer und konnte somit zwei Stündchen schlafen.
Danach waren alle ausgelastet und wieder entspannt im Umgang miteinander 😀

Als meine Assistentin das nächste Mal Dienst hatte, haben wir noch mal über die angespannte Situation vom letzten Dienst gesprochen und mussten eigentlich dabei hauptsächlich darüber lachen. Ich habe sie mega lieb, genauso wie sie mich auch! Aber wenn man sich lange und häufig sieht, dann kommt es eben zu solchen Momenten. Das ist absolut normal und vor allem menschlich. Wichtig ist nur, dass man über alles spricht!!

Was ich euch mit diesem Blogeintrag sagen will?
Inklusion bedeutet eben auch voneinander abgefuckt zu sein und miteinander genervt zu sein, miteinander zu lachen, miteinander zu zicken…Ach, eigentlich ist es auch egal was, Hauptsache MITEINANDER und vielleicht bedeutet es sogar manchmal an die eigene Grenze zu gehen (sowohl für Menschen mit als auch ohne Behinderung)……

Liebe Grüße aus Köln,
eure Katja

Wie alles begann…

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Es war das Jahr 2013! In diesem Jahr habe ich geplant mit dem Deutschen Kinderhospizverein nach Berlin zu fahren. Der Deutsche Kinderhospizverein hat in diesem Jahr eine Berlinfahrt für Menschen mit verkürzter Lebenserwartung organisiert. Meine Freundin berichtete mir davon und versuchte mich zu überreden, dass ich mich als Teilnehmerin für diese Fahrt anmelden soll. Ich war dem Ganzen skeptisch eingestellt, zumal es für Menschen „mit einer verkürzten Lebenserwartung“ war. Ich muss gestehen, das hat mich ein wenig abgeschreckt, worauf hin meine Freundin meinte: „Ist doch total egal, wie die Scheiße heißt, Hauptsache, wir verbringen ein paar schöne Tage in Berlin!“. Recht hatte sie! Also meldete ich mich für diese Fahrt an und schnell stellte sich heraus, dass alle Teilnehmer sich bereits untereinander kannten. Alle sechs Teilnehmer hatten eine Muskelerkrankung.
Die Organisatoren der Fahrt haben uns gebeten zu überlegen, was wir alles in Berlin sehen oder unternehmen möchten. Also tauschten wir uns untereinander aus und da bin ich wahrscheinlich meinem Liebsten aufgefallen.
Er schrieb mich nämlich seit dem regelmäßig über Facebook an und kommentierte jegliche Bilder von mir mit eindeutigen Komplimenten. 😉 Ich fühlte mich natürlich sehr geschmeichelt… Ich habe es geliebt mit ihm zu schreiben, wir haben bestimmt bis um 3 oder 4 Uhr morgens geschrieben und uns Dinge erzählt, von denen noch nicht mal unsere besten Freunde wussten. Es war, wie ich finde, eine sehr intensive Zeit und ich habe die Gespräche mit ihm sehr genossen! Doch irgendwie überkam mich ein mulmiges Gefühl… Nach geraumer Zeit fragte er mich immer wieder, ob ich mich mit ihm treffen möchte und ich bin ihm auf diese Frage immer wieder ausgewichen. Wie gesagt, dieses Gefühl, das ich nicht wirklich einordnen konnte oder eher gesagt nicht wollte.
Ich weiß, es klingt blöd und vielleicht auch ein bisschen gemein, aber einen Freund, der genauso körperlich „eingeschränkt“ ist wie ich, wollte ich nie haben. Und da war er, der Mann, der so charmant und bezaubernd zu mir war… und eine Behinderung hat, die meiner sehr ähnelt.
Ich habe so langsam gemerkt, dass ich auf dem Weg war, mich in ihn zu verlieben… Ich habe die ganze Zeit darüber nachgedacht, wie es wohl sein wird, wenn aus uns was Ernstes wird!
Aus Unsicherheit habe ich ihn immer wieder abgewiesen, aber er hat einfach nicht locker gelassen.
Ich hatte Angst… Angst davor, eine Fernbeziehung auf engem Raum zu führen! Schließlich können wir uns beide kaum bewegen. Wie ist das mit der körperlichen Nähe? Werden wir uns küssen können? Was ist zwischendurch mit den kurzen Umarmungen oder Streicheleinheiten, die man als Pärchen austauschen möchte? Wir beide haben eine 24 Stunden Assistenz. Wie wird es wohl sein, wenn zwei Menschen noch zusätzlich um uns herum sind? Kann es dann überhaupt zu intimen und romantischen Momenten kommen? Und wie sollen wir miteinander schlafen? Das sind Fragen, die mir die ganze Zeit nicht aus dem Kopf gegangen sind.
Naja, vor der Berlinfahrt haben wir gesagt, dass wir in Berlin zusammen ins Museum gehen. Als es dann soweit war, habe ich einen Rückzieher gemacht und ihm die kalte Schulter gezeigt. Wie gesagt, diese ganzen Fragen in meinem Kopf haben mich zerrissen. Ich habe mir einfach gedacht, wenn ich mich nicht mit ihm treffe, dann kann ich mich auch nicht in ihn verlieben. Ich bin ein sehr liebesbedürftiger Mensch und körperliche Nähe ist für mich sehr wichtig…
Also, an seiner Stelle hätte ich so ein unschlüssiges Mädel wie mich schon längst abgeschossen.
Nach der Berlinfahrt hat er sich trotzdem nochmal bei mir gemeldet und mir gesagt, dass ich ihn bestimmt in einer ruhigeren Atmosphäre kennenlernen möchte und dass er glaubt, dass mir das in Berlin zu viel Trubel um uns herum war und ich mich deshalb wahrscheinlich nicht auf uns einlassen konnte. Er lud mich noch einmal zu sich nach Hause ein, um mich zu bekochen und mit mir einen gemütlichen DVD Abend zu machen. Ich willigte ein und fuhr zu ihm nach Hause. Ich weiß es noch ganz genau, es war der 21. September 2013. Ich habe den ganzen Tag gebraucht, um mich für ihn hübsch zu machen und war mega aufgeregt… Ich fuhr mit dem Zug zu ihm und er holte mich am Hauptbahnhof ab, wie ein richtiger Gentleman. 😉 Er war soooo aufgeregt, was ich übrigens total bezaubernd fand. Es sollte an diesem Abend Pizza geben, was erst einmal nicht einwandfrei gelaufen ist, denn der Hefeteig, den er mit seinem Assistenten gemacht hat, wollte einfach nicht aufgehen… irgendwann ging er dann doch glücklicherweise auf, aber irgendwie wollte uns das Schicksal einen Streich spielen, denn als die Pizza im Ofen war, ist der Teig nochmal so sehr aufgegangen, dass die Hälfte des Pizzabelags runtergelaufen ist. Es war ihm sichtlich unangenehm, ständig sagte er: „Ich bin so ein Troll, alles läuft schief, ich wollte doch nur einen schönen Abend mit dir!“. Ich fand das alles sehr amüsant und es machte ihn irgendwie sympathisch!!
Wir haben uns zum Essen hingesetzt (unsere Assistenten haben auch mit gegessen) und da war es, dieses Gefühl wieder… Es war komisch, unsere Assistenten dabei zu haben, wahrscheinlich haben wir uns deshalb nur angeschwiegen. Unseren Assistenten war diese Situation auch unangenehm, also entschlossen wenigstens sie sich zu unterhalten und wir beide hörten ihnen zu. Verkorkst, oder?
Nach dem Essen haben wir angefangen einen Film zu gucken und es war wieder komisch, denn unsere Assistenten schauten mit uns den Film. Oouh man, wenn ich das jetzt hier so schreibe, muss ich lachen! Wir hätten ja direkt auf die Idee kommen können, unsere Assistenten raus zu schicken, aber anscheinend macht Aufregung einen ein bisschen doof. 😀
Dazu muss ich sagen, dass mein Liebster auch wirklich sehr schüchtern an diesem Abend war, dementsprechend wurde mir schnell bewusst, das ist ich die Initiative ergreifen muss. Nur wie? Die einzige Möglichkeit ihm nahe zu sein war, sich mit ihm ins Bett zu legen (wenn wir im Rollstuhl sitzen, ist es uns nur möglich Händchen zu halten). Aber gehört sich das für ein erstes Date? Gehört sich das für eine Lady, am ersten Abend mit dem Mann ins Bett zu steigen? Ach, was bedeutet schon Lady? Man lebt nur einmal, sage ich immer! Also faste ich meinen ganzen Mut zusammen und fragte ihn, ob wir uns ins Bett legen. Unsere lieben Assistenten haben uns natürlich sofort den Wunsch erfüllt und ließen uns alleine.
Und ab dem Zeitpunkt fing unser Date an! Wir haben so viel gemeinsam gelacht und viel erzählt… Alle paar Minuten klingelten wir nach unseren Assistenten, damit sie uns jedes Mal etwas näher aneinander rücken… Und da war plötzlich dieser Augenblick: wir schauten uns tief in die Augen und irgendwie war alles um uns herum vergessen… mein Atem stockte und mein Herz schlug unheimlich schnell! Es war der Augenblick, in dem man sich küssen würde. Ich kann mich noch genau an seine Worte erinnern: „Ich würde so gerne mein Arm um dich legen, dich an mich heranziehen und dich küssen!… aber dafür müssten wir unsere Assistenten holen…“. Irgendwie habe ich mich innerlich darüber geärgert, dass wir in diesem Moment wieder die Assistenten reinlassen mussten. Er hat es mir angesehen und meinte: „Wenn dir das zu unangenehm ist, dann kann ich das verstehen… Nur wäre es schade, oder?“. Ich zögerte zwar kurz, dachte mir aber: „Verdammt, du willst doch jetzt knutschen?!“. Also, haben wir nach unseren Assistenten gerufen und ihnen gesagt, dass sie fürs Küssen unsere Liegeposition ändern sollen. Es hat eigentlich gar nicht so lange gedauert, bis wir die perfekte Position gefunden haben. Anschließend verließen uns unsere Assistenten wieder und wir beide konnten uns hingebungsvoll küssen. Siehe da, küssen klappte schon mal ganz gut. Es war unbeschreiblich schön! Es war der erste Kuss seit langem… Ich hatte schon Sorge, dass ich das Küssen verlernt habe! 😀 Aber jegliche Sorgen dieser Art, waren unbegründet, es lief einfach perfekt. Ich glaube, wir haben uns ungefähr das erste Mal um 3:00 Uhr nachts geküsst und bis 6:00 Uhr früh durchgeknutscht. 😉 Wie gesagt, es war einfach wunderschön!
Am nächsten Tag fuhr ich nach Hause, mit gemischten Gefühlen… Auf der einen Seite ist da dieser Mann, bei dem ich mich irgendwie geborgen gefühlt habe und auf der anderen Seite sind ständig unsere Assistenten um uns herum und müssen uns in Situationen helfen, in denen man keine dritte oder geschweige denn vierte Person dabei haben möchte.
Zuhause angekommen, habe ich nur noch geheult, weil ich einfach nicht wusste, was ich tun sollte. Soll ich es versuchen? Was ist, wenn ich mit dem ganzen Drumherum nicht zurecht komme? Denn das Letzte was ich will, ist diesen wunderbaren Menschen zu verletzen!
Aber vielleicht läuft alles gut? Vielleicht können wir uns damit arrangieren? Vielleicht ist er sogar die Liebe meines Lebens?!
Ich habe einfach gemerkt, dass ich so sehr darauf fixiert war, mich auf keinen Fall in einen Mann zu verlieben, der eine ähnliche Behinderung hat wie ich und somit seine wundervollen Eigenschaften irgendwie ausgeblendet und nur noch schwarz gesehen habe. Ich habe ihm meine Sichtweise geäußert und er hat gesagt, dass wir nie herausfinden werden, wie es zwischen uns laufen kann, wenn wir es nicht einfach ausprobieren… Also probierten wir es 😉 und nun sind wir 1,5 Jahre zusammen!

Von klein auf wurde mir von meiner Familie, aber auch von Freunden und Bekannten eingetrichtert, dass ich doch bestimmt irgendwann einmal einen Mann finde, der genauso ist wie ich…
Ich glaube das hat irgendwelche Schäden in mir hinterlassen. 😀 Manchmal frage ich mich, ob ich meiner Umgebung etwas beweisen wollte, um vielleicht zu zeigen, dass ich wohl in der Lage bin, einen Mann ohne Behinderung „rumzukriegen“. Ich finde, dass ich mich mit dieser Einstellung auch selbst herabgestuft habe. Als ob ein Mann ohne Behinderung etwas besser sei oder einen höheren Wert hätte…
Hätte ich an dieser Vorstellung vom Traumprinzen festgehalten, wäre mir wohl der wundervollste Mensch, der mir jemals in meinem Leben begegnet ist, entgangen. Das wäre unheimlich traurig!

Ihr Lieben da draußen, Liebe ist so wunderschön! Wäre es da nicht traurig, wenn zwei Menschen, die füreinander bestimmt sind, nicht zusammenkommen, nur weil gewisse Vorurteile oder Vorstellungen bestehen…?
An alle Menschen mit, aber auch ohne Behinderung: Gibt einander eine Chance! <3

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Ganz viel Liebe aus Köln,
Katja <3