Was sind wahre Freunde?
Eine wahre Freundin lacht mit dir stundenlang… nein, sogar mehrere Tage über ein und denselben Witz oder dieselbe lustige Erfahrung, die du gemacht hast.
Sie kauft für dich ein, wenn du todkrank im Bett liegst…
Sobald sie erfährt, dass der Lifter mal wieder kaputt gegangen ist, sagt sie dir, dass sie so schnell sie kann zu dir eilt, um deiner Assistentin zu helfen dich auf Toilette zu bringen und dich zu duschen…
Wenn eine neue Assistentin ihren ersten Arbeitstag bei dir hat, schläft eine wahre Freundin an diesem Tag bei dir, weil sie genau weiß, dass du dich in dieser Nacht etwas unsicher fühlst…
Direkt nach einer Trennung streicht sie mit dir gemeinsam deine Wohnung, damit du deine alten Erinnerungen hinter dir lassen und einen Neubeginn starten kannst …
Bricht ein Typ dir dein Herz, schlägt sie dir sogar wutentbrannt vor, 400 km Weg auf sich zu nehmen, um ihn zu schütteln und um ihm sagen zu können, welch großartige Frau er sich da gerade entgehen lässt… (Keine Sorge, liebe Männer… Es ist nur ihre Fantasie gewesen, aber wenn ich das wollen würde, macht sie es ganz sicher 😀 fürchtet euch doch ein wenig!)
Fühlst du dich vielleicht mal wieder unattraktiv und unwohl, weil du jeden Moment deine Periode bekommst, dann sagt sie dir, wie schön dein Körper überhaupt ist und dass dein in wenigen Tagen geplantes Sexdate total heiß auf dich sein wird…
Ja, sie würde sogar einen Soft Tampon aus dir herausholen, weil sie genau weiß, wie schrecklich du es findest, wenn die Assistentin es macht…
Sie verbringt auch mit dir Weihnachten, damit du an diesen Tagen nicht alleine bist…
Wenn du eine paranoide Attacke hast, streichelt sie dir über den Kopf und lacht dich dabei aus… 😀
Sie hat Spaß daran deine Psycho-Fantasien weiter auszumalen und muss es gleich übertreiben, indem sie deine übertüncht…
Auf dem Abschlussball lässt sie ihren Freund für den ersten Tanz stehen, weil sie erfahren hat das dein Tanzpartner dir abgesagt hat…
Und wenn ihr euch ein Jahr nicht gesehen und nichts voneinander gehört habt, hat sich zwischen euch doch nichts geändert…
Ich könnte noch so viele weitere Beispiele nennen… Es handelt sich hierbei aber nicht nur um eine Freundin, diese Erfahrungen mache ich mit verschiedenen meiner Mädels.
Ich bin einfach super froh sie zu haben, weil Freunde eben das Leben doch so sehr bereichern und es lebenswert machen.
In den letzten Tagen habe ich viel über meine Freundschaften nachgedacht. Dabei ist mir aufgefallen, dass ich recht spät wirklich tiefgründige Freundschaften geführt habe.
Es war schwierig für mich in der Schule Freundschaften zu schließen, weil ich sehr lange auf einer Förderschule war. Intellektuell waren wir in der Klasse kaum auf dem selben Niveau, daher fiel es mir sehr schwer den Anschluss zu finden. Meine Pause verbrachte ich oft mit Zivildienstleistenden und FSJlern. Da sie nun älter waren als ich, hatten meine Lehrer Sorge und schlugen mir vor die Schule zu wechseln. Ich wechselte nach Köln auf eine Schule, in der es mir möglich war alle Abschlüsse zu machen, die ich konnte und wollte. Ich weiß nicht, wie es jetzt ist, aber zu dem Zeitpunkt gab es nicht so viele Förderschulen, an denen man auch Abitur machen konnte. Für gewöhnlich erreichte man damals höchstens den Hauptschulabschluss A an einer Förderschule. Nun standen mir aber in Köln alle Wege offen und ich habe gehofft, dass ich dort auch Freunde finde.
Ich habe mich deutlich besser mit meinen Klassenkameraden verstanden, aber es war dennoch etwas schwierig. Die Schüler kamen aus ganz Nordrhein-Westfalen, darum konnte man nach der Schule nichts gemeinsam unternehmen. Gemeinsame Freizeitaktivitäten stärken selbstverständlich die Freundschaft. Dies war wenn überhaupt nur selten möglich.
Natürlich sind mir meine Klassenkameraden ans Herz gewachsen und ich war traurig als wir nach unserem Abschluss getrennte Wege gegangen sind. Aber das alles lässt sich nicht mit dem vergleichen, was danach kam…
Ich habe in Köln dann auch an der selben Schule mein Abitur angefangen, allerdings ist mir zu dem Zeitpunkt bewusst geworden, dass ich richtig unglücklich war und aus diesem Grund musste ich dann auch die Schule abbrechen. Ein ganzes Jahr habe ich versucht eine Ausbildung zur Rechtsanwaltsfachangestellten zu finden. Dies war jedoch in unserem Dorf sehr schwierig.
Eines Tages ist mir dann mein Grundschullehrer über den Weg gelaufen, für diesen Tag bin ich einfach so dankbar heute. Er wollte natürlich wissen, was aus mir geworden ist und nachdem ich ihm von meiner Situation berichtet habe, schien ich ihm wohl nicht mehr aus dem Kopf zu gehen. Denn ein paar Wochen später erhielt ich einen Anruf von ihm. Er fragte mich, ob ich nicht mein Abitur nachholen möchte… Natürlich wollte ich! Er versprach mir, mich dabei zu unterstützen eine Schule zu finden, die barrierefrei ist und mich aufnehmen würde. Ich habe mich natürlich riesig darüber gefreut, aber so richtig glauben konnte ich es nicht, dass alles klappt…
Es verging kaum Zeit und schon musste ich mich bei dem Schuldirektor der Gesamtschule vorstellen. Das Gespräch mit ihm verlief sehr gut und er hat noch mal ausdrücklich betont, wie sehr er sich freut, dass ich an dieser Schule mein Abitur nachholen möchte.
Ich hatte super große Angst davor, schließlich war ich bisher nur auf Schulen, die für Menschen mit einer Behinderung ausgelegt waren. Ich war sozusagen eine von vielen und nicht anders.
Ich fragte mich die ganze Zeit, wie es sein wird, wenn alle um mich herum keine Behinderung haben. Werde ich eventuell gemobbt?
Generell habe ich immer ein Problem damit neue Leute kennen zu lernen, weil ich anfangs total schüchtern bin.
Meine neuen Lehrer kamen immer wieder auf mich zu und fragten mich, ob es mir gut geht und ob sie etwas für mich tun könnten, damit ich mich wohler fühle.
Relativ schnell stellte sich heraus, dass der Toilettengang an dieser Schule ein Problem darstellen würde, weil es keine Liege in dem behindertengerechten Bad gab. Darum war ich gezwungen in der Pause immer nach Hause zu gehen, um auf Toilette gehen zu können. Den Lehrern fiel auf, dass ich nie in den Pausen mit meinen Klassenkameraden zusammen war. Sie suchten mit mir das Gespräch, aber waren selbst deshalb etwas ratlos. Der Schulleiter wollte mit mir einen Antrag für eine Liege stellen, aber eine Genehmigung dieser Liege hätte eventuell Monate dauern können. Und wie immer bekam mein Grundschullehrer auch von diesem Problem Wind und kurze Zeit später stand eine Liege in dem Bad der Schule.
Seitdem verbrachte ich ganz normal meine Pausen mit meinen Klassenkameraden. Es war einfach ganz anders, denn in der Pause unterhält man sich über private Dinge und man verabredet sich nach der Schule. Wenn es um Verabredungen ging, habe ich mir ein wenig Sorgen gemacht, weil ich nicht wusste, wie meine Klassenkameraden reagieren, wenn ich ihnen erzähle, dass sie mir mein Essen anreichen müssten und mir meine Jacke an/ausziehen müssen usw. Damit hatten sie kein Problem, vielmehr hatten sie Sorge mir eventuell wehtun zu können, aber da ich nicht auf den Mund gefallen bin und sehr gut erklären kann, verflogen diese Unsicherheiten sehr schnell.
Mir hier und da zu helfen, war für sie selbstverständlich. Ich denke so gerne an diese Zeit zurück, weil ich in der Zeit so viel über mich und über die Menschen, von denen ich umgeben bin, gelernt habe… Es gab einfach so viele rührende Momente. Während meiner Abizeit brauchte meine Mutter dringend eine Auszeit und war darum für ein paar Tage nicht zu Hause, meine Mädels haben mir dann angeboten die Pflege zu übernehmen… Als es darum ging den Ort für unsere Abschlussfahrt zu finden, wollten die meisten ins Ausland. Ich wollte meinen Klassenkameraden die Abschlussfahrt nicht verderben und habe darum nicht gesagt, dass eine Abschlussfahrt im Ausland mit mir eventuell schwierig umzusetzen ist, weil man eben schauen muss, ob dort alles barrierefrei ist und die Hin- und Rückfahrt mit meinem Elektrorollstuhl möglich sein muss. Um meinen Klassenkameraden keinen Strich durch die Rechnung zu machen, habe ich mich damit abgefunden nicht mitzufahren. Irgendwann fiel jedoch auf, dass man mich bei der Planung vergessen hat. Es haben sich aber schon einige auf eine Abschlussfahrt im Ausland eingestellt und es entstand ein wenig schlechte Stimmung in unserer Stufe. Daraufhin gab es dann eine Sitzung mit der gesamten Stufe, in der die Lehrer vorgeschlagen haben unsere Stufe für die Abschlussfahrt aufzuteilen. Die einen hätten ins Ausland fahren können und die anderen wären mit mir in Deutschland geblieben. Ich fand diesen Lösungsvorschlag natürlich nicht so toll… und war dann sehr überrascht über die Reaktion meiner Klassenkameraden. Sie ruderten zurück und sagten, dass sie wohl bei der ganzen Vorfreude auf die Fahrt vergessen haben, dass ich eine Behinderung habe und dass gewisse Dinge beachtet werden müssen, deshalb entschied sich der Großteil der Stufe in Deutschland zu bleiben, weil die Organisationen in der kurzen Zeit realistischer war. Ob ich das gut oder schlecht finde, wenn meine Behinderung vergessen wird, das lass ich hier so stehen, aber diese Abstimmung hat mich sehr berührt, weil es gezeigt hat, wie sehr wir als Stufe zusammengewachsen sind. Leider mussten wir feststellen, dass Hamburg auch nicht wirklich barrierefrei war, somit musste ich viel getragen und geschoben werden. Vielleicht waren wir aber auch zu dämlich, aufgrund des hohen Alkoholkonsums, barrierefreie Routen herauszusuchen.
Wie auch immer, es war eine wirklich sehr schöne Zeit und nach dem ich ausgezogen bin, habe ich noch mehr tolle Menschen kennengelernt, die nun meine dicksten Homies sind und ebenso sind, wie ich sie hier am Anfang beschrieben habe…
PS: Lieber Grundschullehrer, ohne deine Unterstützung im Laufe meines ganzen Lebens, würde ich heute schlimmstensfalls Schrauben in einer Behindertenwerkstatt sortieren oder ich wäre eine langweilige Rechtsanwaltssekretärin geworden. Ich weiß nicht, was schlimmer ist. Ich verdanke dir, dass ich heute dort stehe, wo ich stehe 🙂
PSS: Ich habe zwar viele sehr gute Freundinnen, aber männliche, handwerksbegabte und am liebsten schwule Freunde fehlen mir sehr, da meine Wohnung eine reinste Baustelle ist. Bussi.
Katja