Ein winziger Einblick in meine Bachelorarbeit…

So meine lieben Leser,

wie ich bereits vor einem Monat angekündigt habe, möchte ich heute über meine Bachelorarbeit schreiben. Mir graust es ein wenig davor. Es ist ein dicker Schinken, den ich da abgegeben habe. Vor allem war das eine sehr nervenaufreibende Zeit. Ich bin zwar mit meiner Arbeit fertig geworden, aber so zwei Wochen hätte ich schon gerne noch Zeit gehabt, um entspannt den letzten Feinschliff zu machen. Irgendwann ist das Gehirn einfach nur noch Matsche und gibt auf. Kennt ihr das? Wenn man sich alte Arbeiten nicht mehr ansehen möchte, weil der Blick auf eventuelle Fehler wieder fokussierter ist? Naja, wie dem auch sei. Ich habe letztendlich eine 1,3 für meine Arbeit bekommen. Ich wollte zwar mit 1,0 bestehen, aber nun gut. Eine 1,3 ist natürlich auch ein sehr gutes Ergebnis.

In meiner Bachelorarbeit gibt es viel theoretischen Kram, der vielleicht in diesem Rahmen eher uninteressant ist. Aus diesem Grund würde ich auf den theoretischen Rahmen im groben verzichten, sonst schlaft ihr mir noch ein. Dennoch möchte ich den theoretischen Teil kurz umreißen. Das erste Kapitel meiner Bachelorarbeit umfasst Definitionen. Da der Titel meiner Bachelorarbeit „KÖRPERLICHE IDENTITÄT UND SELBSTWERTGEFÜHL VON FRAUEN MIT SICHTBARER KÖRPERBEHINDERUNG“ lautet, war es mir wichtig zu klären, was überhaupt Körperidentität, Selbstwertgefühl und Körperbehinderung aus der wissenschaftlichen Perspektive bedeutet. Am schwersten fiel es mir das Selbstwertgefühl zu definieren. Insbesondere, weil andere Begriffe ebenfalls das Selbstwertgefühl umschreiben, wie zum Beispiel Selbstkonzept oder Selbstwert. Ich habe mich bei der Definition auf Schütz 2003 bezogen und habe den Begriff Selbstwertgefühl durch Selbstwert ersetzt. Aus der psychoanalytischen Perspektive lässt sich zusammenfassen, dass wir von klein auf darauf angewiesen sind positives Feedback zu halten, um ein gesundes Selbstwertgefühl entwickeln zu können. Laut Kohut 1979 lässt sich das Selbstwertgefühl auch im Erwachsenenalter aufbauen, genauso kann es aber auch verloren gehen. Bei der systemischen Perspektive des Selbstwert habe ich mich auf Virgina Satir 1990 bezogen. Sie ist der Ansicht, dass ein Mensch sich selbst nur dann wertschätzen und lieben kann, wenn er ein gesundes Selbstwert besitzt. Sie ist der Meinung, dass ein Mensch nicht jeden Tag dasselbe Maß an Selbstwert besitzt. Es kommt auf die Erfahrungen an, die man am Tag macht. Je mehr schlechte Erfahrung am Tag dazu kommen, desto wertloser kann sich der Mensch fühlen. Bei dieser Theorie büßt sie Kritik ein. Waibel 2017 kritisiert ihr vereinfachtes Verständnis von Selbstwert. Es gilt dabei zwischen Grundwert und Selbstwert zu differenzieren, aber damit würde ich auch zu sehr in die Tiefe gehen. Es fällt mir ein bisschen schwer, dass alles sehr vereinfacht darzustellen.

Als nächstes habe ich den Begriff Behinderung definiert. Dabei bin ich auf die soziologische Perspektive eingegangen, die sich nicht auf die körperliche Einschränkung bezieht, sondern vielmehr auf die Auswirkungen im sozialen Bereich, wenn man eine Behinderung hat. Des weiteren habe ich dann die Definition nach der ICF-Klassifikation der WHO herangezogen, denn diese beschränkt sich auf die Funktionsfähigkeit eines Körpers, zeitgleich wird auch hier die Möglichkeit der Teilhabe berücksichtigt. Ähnlich ist es auch bei der dritten Perspektive aus dem Sozialrecht. Hierbei ist es wichtig in diesem Bereich eine Definition zu haben, um einen Anspruch auf Hilfen und Nachteilsausgleich zu haben.

Im dritten Teil des Kapitels definiere ich den Begriff Körperidentität aus zwei Perspektiven. Einerseits aus der heilpädagogischen Perspektive, in der ich mich insbesondere auf Leyendecker 1985 beziehe. Hierbei betont er, dass ein Kind zwei Möglichkeiten besitzt seinen Körper zu entdecken. Einerseits, in dem es berührt wird und andererseits in dem es sich selbst berührt. Ich fand diesen Aspekt in dem Sinne interessant, weil je nach Grad der Behinderung der Mensch eventuell gar nicht die Möglichkeit hat sich selbst zu berühren. Ich habe mich dabei gefragt, ob es dann überhaupt möglich ist mit einer Schwerstbehinderung eine gesunde Körperidentität zu entwickeln. Um darauf aufbauen zu können, habe ich den Begriff Körperidentität aus der psychosozialen Perspektive betrachtet, in der ich die Ansätze der Identitätsentwicklung eines Menschen von Erik H. Erikson herangezogen habe. Ich habe mich auf 6 Phasen aus seinem 8-Phasenmodell bezogen. Auf die einzelnen Phasen möchte ich hier nicht eingehen, weil es den Rahmen sprengen würde. In seinem 8-Phasenmodell beschreibt er, inwiefern der Körper wichtig für die Identitätsentwicklung ist.

In dem Hauptteil bearbeitete ich den aktuellen Forschungsstand. Dies war gar nicht so einfach. Zum Thema Selbstwertgefühl und Körperidentität körperlich-behinderter Frauen gibt es so gut wie keine wissenschaftlichen Studien. Darum habe ich mich auf die Psychologin Geifrig 2003 bezogen. Sie lebt selbst mit einer Behinderung und hat im Rahmen ihrer Tätigkeit viele Frauen mit Behinderung beraten. Bezogen auf ihre schriftlich festgehaltenen Erfahrungen und auf die Theorien anderer Experten habe ich Hypothesen formuliert. Das sind auch viel zu viele Hypothesen. Es würde euch nur langweilen diese zu lesen.

Ich werde euch nun nur die wichtigsten, bestätigten Hypothesen vorstellen. Ich war verblüfft darüber, dass ich einige Hypothesen bestätigen konnte. Durch die Befragung, die ich durchführen durfte, konnte ich meine formulierten Hypothesen überprüfen. Nach der Auswertung konnte ich feststellen, dass Frauen, die eine schwere Körperbehinderung haben auch am meisten in der Entwicklung ihrer Körperidentität und ihres Selbstwertgefühls beeinträchtigt sind.

Meine Erkenntnisse waren, dass Frauen sich eher weniger selbst befriedigen, je weniger Selbstbestimmung in ihrer Wohnform möglich ist. Gleichzeitig können Frauen, die weniger auf Assistenz in der Pflege angewiesen sind, sich mehr befriedigen. Dies wurde auch noch mal bestätigt, in dem aus der Auswertung hervorgeht, dass die Frauen, die angegeben haben, dass sie ihre eigene Behinderung eher schwer einstufen, auch weniger die Möglichkeit haben sich selbst zu befriedigen. Dazu kommt, dass Frauen mit geringer Selbstbestimmtheit in ihrer Wohnform, eher weniger wissen, wie ihr Intimbereich aussieht oder sich anfühlt. Dasselbe gilt auch für Frauen, die ihre Körperbehinderung eher als schwer einschätzen. Frauen hingegen, die weniger Bedarf an Assistenz in der Pflege haben, haben zeitgleich mehr die Möglichkeit sich nackt zu betrachten.

Bezüglich des Sexuallebens dieser Frauen konnte ich feststellen, dass sie eher weniger Geschlechtsverkehr hatten, je weniger Selbstbestimmung in ihrer Wohnform ermöglicht wird.

Im Bereich der Verhütungsberatung werden die Frauen bevormundet, dies lassen folgende Erkenntnisse vermuten: je weniger die Frauen auf Assistenz in der Pflege angewiesen sind, desto geringer ist die Chance, dass ihnen geraten wird die Pille durch zu nehmen, um die Periode (aus praktischen Gründen der Pflege) zu verhindern. Frauen hingegen, die eher weniger selbstbestimmt leben können, denen wird er dazu geraten die Pille durch zu nehmen, um die Periode (aus praktischen Gründen in der Pflege) zu verhindern.

Meine kleine Studie hat auch ergeben, dass die Frauen mehr das Gefühl haben, dass andere Menschen Hemmungen haben sich (aufgrund ihrer Behinderung) mit ihnen anzufreunden, je weniger selbstbestimmt sie leben können.

Ich konnte noch einige andere Erkenntnisse erlangen, aber ich glaube, dass diese schon sehr aussagekräftig sind. Mein Wunsch war es dieses Thema zu behandeln, weil ich mir erhoffe, dass in der Sozialen Arbeit mehr auf Frauen mit Behinderung eingegangen wird. Ich wollte gerne erfahren, ob andere Frauen mit Behinderung ähnliche Erfahrungen, wie ich machen und ob dadurch auch ein Handlungsbedarf in der professionellen Sozialen Arbeit besteht. Ich würde sagen, dass definitiv Handlungsbedarf besteht. Sollte ich noch einen Master machen, wäre es eine Idee in meiner Masterarbeit ein Konzept dafür zu erarbeiten, wie sich das Selbstwertgefühl und die Körperidentität der Frauen mit einer sichtbaren Körperbehinderung stärken lässt.

Ich hoffe, ihr konntet mir folgen. Hinterlassen wir gerne Kommentare, darüber was ihr über diesen Beitrag denkt und ob ihr euch sogar wiedersieht in den Erkenntnissen, die ich hier niedergeschrieben habe.

Ich wünsche euch einen schönen Abend und ihr hört von mir in einem Monat.

Eure

Katja

Die im Beitrag erwähnten Quellen aus meiner Bachelorarbeit:

Erikson, E. H. (1973): Identität und Lebenszyklus. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag

Geifrig, R. (2003): Frauen mit Behinderung gelten als geschlechtlos. Sexualität und Behinderung aus weiblicher Sicht. In: Delisle, B., Haselbacher, G. und Weissenrieder, N. (Hrsg.) (2003): Schluss mit Lust und Liebe? Sexualität bei chronischen Krankheiten und Körperbehinderungen. München: Reinhardt Verlag

Kohut, H. / übersetzt von Scheidt, E. (1979): Die Heilung des Selbst. Frankfurt am Main: Suhrkamp

Leyendecker, C. (1985): Körpererfahrung und Behinderung. Ein Diskurs zur Frage der Identitätsfindung Körperbehinderter. In: SONDERPÄDAGOGIK. Vierteljahreszeitschrift über aktuelle Probleme der Behinderten in Schule und Gesellschaft. 15. Jg, Heft 1/85, S.1-15

Satir, V./übersetzt von Kierdorf, T. und Höhr, H. (1990): Kommunikation Selbstwert Kongruenz. Konzepte und Perspektiven familientherapeutischer Praxis. Paderborn: Junferman Verlag

Schütz, A. (2003): Psychologie des Selbstwertgefühls. Von Selbstakzeptanz bis Arroganz. 2. Aufl. Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer

Waibel, E. M. (2017): Erziehung zum Selbstwert. Persönlichkeitsförderung als zentrales pädagogisches Anliegen. Weinheim Basel: Beltz Juventa