Corona-Krise

 

Hallo meine Lieben,

es ist soweit! Es scheint so als hätte ich mein Studium fast beendet. Alle Prüfungen wurden abgelegt, es geht nur noch um Formalien bis ich exmatrikuliert werde. Unter anderem habe ich meinen Abschluss auch euch zu verdanken, weil ihr eine meiner Studie für meine Bachelorarbeit teilgenommen habt. Ich danke euch wirklich von ganzem Herzen!

In dem letzten Artikel oder besser gesagt Aufruf habe ich angedeutet, ein wenig von meiner neuen Beziehung zu erzählen. Dies würde ich gerne noch mal verschieben, weil gerade andere Themen eindeutig Vorrang haben. Wie wir alle wissen, leben wir zur Zeit in einer Krise mit der niemand so schnell gerechnet hat. Aus diesem Grund hatte ich vorgestern das große Bedürfnis meine Enttäuschung über das Verhalten unserer Gesellschaft breitzumachen und habe dies auf der Plattform „Nett-Werk Köln“ über Facebook getan. Meine Worte kamen recht gut an, daher würde ich gerne diesen Text auch noch mal hier veröffentlichen. In der Hoffnung, dass das noch weitere Menschen zum Nachdenken anregt.

Hallo liebe Mitmenschen, ich heiße Katja und ich bin eines der Gesichter aus Köln, die der Risikogruppe in der Coronakrise angehört. Von Geburt an lebe ich mit der Diagnose Spinalen Muskelatrophie Typ II. Das bedeutet unter anderem, dass ich größtenteils beatmet werden muss, weil meine Atemmuskulatur viel zu schwach ist. Im Normalfall fühle ich mich wohl und sicher, weil ich weiß, dass ich jederzeit im Krankenhaus meines Vertrauens in einer Akutsituation bestens versorgt werde. Bereits vor der Pandemie war unser Gesundheitssystem vollkommen ausgereizt. Ich muss regelmäßig einmal im Jahr im Schlaflabor untersucht werden. In meiner ganzen Krankenhauskarriere habe ich selten erlebt, dass Termine für das Schlaflabor eingehalten werden konnten. Immer wieder musste ich für Notfälle Platz machen und meinen Termin verschieben. Dennoch haben die Ärzte und Pfleger*innen mir versichert, dass sich jederzeit ein Bett bekäme, wenn mich die Grippewelle stark erwischt. Die Grippesaison ist die gefährlichste Zeit des Jahres für mich. Wenn ich stark verschleimt im Krankenhaus eingeliefert werde, betreiben Ärzte und Pfleger*innen viel Aufwand, um mich gesund zu pflegen. Sowohl Ärzte als auch Pfleger*innen und Physiotherapeuten wechseln sich den ganzen Tag ab, um mit mir Atemtherapie zu machen. Ich kann nämlich nicht selbstständig abhusten. Dies fühlt sich für mich jedes Mal äußerst bedrohlich an. Gleichzeitig verspüre ich jedoch eine gewisse Sicherheit, weil so viele Menschen für mich da sind, um mein Leben zu retten. Ihr könnt vielleicht erahnen, wie ich mich seit dem Ausbruch der Pandemie fühle. Ich weiß nicht, ob das Krankenhaus meines Vertrauens noch diesen Aufwand betreiben kann, wenn ich mit Atemnot eingeliefert werden. Ich weiß noch nicht mal, ob ich wirklich nach Essen gefahren werde, wenn Corona mich erwischt. Werde ich hier in Köln versorgt, von Ärzten, die mich nicht kennen? Aufgrund meiner Muskelschwäche lebe ich mit 24 Stunden Assistenz. Sie begleiten mich auch ins Krankenhaus. Schlafen mit mir dort, passen darauf auf, dass ich mich nicht verschlucke und leihen mir in allen möglichen Situationen ihre Arme und Beine. Sie sind für mich unverzichtbar. Was ist, wenn mich Corona erwischt? Muss ich alleine im Krankenhaus in Quarantäne? Dies könnte für mich böse enden. Mich darf man nicht alleine lassen, denn ich könnte noch nicht mal auf den Knopf drücken, um eine/n Pfleger/in zu rufen. Meine Beatmungsmaske könnte jederzeit verrutschen und ich bekäme keine Luft. Schlimmstenfalls bekäme das im Krankenhaus keiner mit. Schon alles erlebt! Klingt alles sehr dramatisch? Das ist es auch! Von allen Seiten bekomme ich zu hören, ich muss auf mich aufpassen. Ich darf jetzt auf keinen Fall krank werden. Ich habe diese Sicherheit von der ich am Anfang sprach nicht mehr. Das setzt mich enorm unter Druck. Gestern erst rief ich mein Sanitätshaus an, welches mich mit meinen Beatmungsgeräten versorgt, angerufen, weil ich einen kleinen Schaden auf dem Display meines Beatmungsgeräts habe. Das Sanitätshaus sagte mir, dass sie erst rauskommen, wenn das Gerät nicht mehr funktioniert. Das hinterlässt bei mir ein sehr mulmiges Gefühl. Bis vor ein paar Tagen wäre der kleine Schaden an meinem Beatmungsgerät ein Grund zu schnell es geht einen Mitarbeiter bei mir vorbeizuschicken. Ich weiß, dass die Reaktion des Sanitätshaus eine Schutzmaßnahme auch für mich ist, aber es macht mir ein wenig Angst. Warum erzähle ich das und worauf möchte ich hinaus? Ich möchte an die Menschen appellieren sich an die Auflagen der Regierung strengstens zu halten. Ich bin auf ein funktionierendes System angewiesen! Funktioniert es nicht, kann es für mich den Tod bedeuten. Funktioniert es, bedeutet das für mich zu leben. Auch wenn ich mein Leben gerade ganz drastisch dargestellt habe, liebe ich es. Ich habe Freunde, bin in einer glücklichen Partnerschaft und habe soeben mein Studium beendet. Ich habe noch viel vor und wünsche mir mein Leben zurück ohne Ängste und in Sicherheit. Ich bin kein Einzelfall. Es gibt noch viele weitere Menschen für die eine Pandemie bedrohlich ist. Eine Bedrohung, die über den Verzicht auf Freizeitaktivitäten hinausgeht. Es geht bei vielen Menschen um Leben und Tod. Ich bin darauf angewiesen, zu vertrauen, dass die Menschen in unserer Gesellschaft sich verantwortungsvoll verhalten. Bitte übernehmt Verantwortung für euch und andere, damit Krankenhäuser entlastet werden, um mich im schlimmsten Fall retten zu können! Bleibt zu Hause, um mich und andere erst gar nicht anzustecken. Bleibt gesund und steht einander bei! In Liebe eure Katja“

 
 
Aufgrund der positiven Resonanz ist der Kölner Express auf mich aufmerksam geworden und hat folgenden Artikel über mich heute früh veröffentlicht: https://www.express.de/koeln/corona-angst-koelnerin-gehoert-zur-risiko-gruppe—ihre-worte-muessen-alle-wachruetteln-36438950?fbclid=IwAR1U2gvZAd-Oi_zJKpEmDIYZ8e3hLR6QnDv9cdoqcpF075waFEkPr33YEFM

 

Ich hoffe sehr, dass mein Appell bei vielen Menschen ankommt und verstanden wird. Manchmal ist es hilfreich einer sogenannten Risikogruppe ein Gesicht zu geben, um den Menschen vor Augen zu führen, welche tragischen Folgen mangelnde Vorsicht haben kann.

Bleibt gesund und handelt verantwortungsbewusst!

Eure

Katja

Mein Körper und ich…

Zurzeit gebe ich mir die größte Mühe mein Studium zu beenden. Ich beschäftige mich mit einem Thema, das mir besonders am Herzen liegt. Ich widme mich bei meinen Hausarbeiten der Thematik: Inwieweit beeinflusst eine chronisch körperliche Behinderung die Entwicklung des Selbstbewusstseins?

Bei meinen Recherchen lese ich immer wieder, dass unsere Körpererfahrungen in den ersten Lebensjahren den Grundstein für unser Selbstbewusstsein bilden. Einerseits meint man damit die „Pflege, Zärtlichkeiten, den Hautkontakt, die Befriedigung der körperlichen Bedürfnisse und die Bewegungen/das `Bewegt-werden´ der Bezugspersonen. Andererseits spricht man von den eigenen Körpererfahrungen, in dem der Mensch seinen Körper selbst erforscht.

Beim Lesen muss ich immer wieder darüber nachdenken, wie das bei mir war. Wie hat sich mein Selbstbewusstsein entwickelt? Eine schwierige Frage und irgendwie für mich auch schwer zu beantworten.

Welche Körpererfahrungen habe ich gemacht?

Ich kann mich auf jeden Fall daran erinnern, dass ich zum Teil schöne, aber auch sehr viele weniger schöne Erfahrungen gemacht habe.

Meine Mutter hat sich stets liebevoll um mich gekümmert. Von ihr wurde ich verhätschelt und habe den höchsten Grad der Liebe, den ich von ihr bekommen konnte, erfahren.

Aber gerade die ersten Lebensjahre waren für mich zum Teil die Hölle. Ich bin bis zu meinem sechsten Lebensjahr in Kirgistan aufgewachsen. Die medizinischen Umstände waren dort unverantwortlich und einfach nur katastrophal. Man hat meinen Eltern Hoffnungen gemacht, dass ich irgendwann noch laufen lernen könnte und  hat ihnen eine Menge Geld aus der Tasche gezogen. Die Therapiemaßnahmen waren sehr schlimm für mich, obwohl ich noch so jung war, kann ich mich bis heute noch daran erinnern. Es gab nämlich „Ärzte“, die der Meinung waren, dass ich mit genug Bewegungsübungen meine Lauffähigkeit entwickeln könnte.

Der schlimmste Vorfall war, als ich auf den Bauch gelegt wurde und von mir verlangt wurde, dass ich Liegestützen machen sollte. Wer meine Behinderung kennt, sollte wissen, dass das ein Ding der Unmöglichkeit ist. Ich, als kleines Mädchen habe dennoch versucht mich zu bemühen, weil ich Angst davor hatte, dass mein Therapeut mir ansonsten Schmerzen zufügt. Als meine Bemühungen nicht ausreichten, zog der Therapeut mich zur Strafe an den Haaren hoch und legte anschließend meine Arme über Kreuz auf den Hinterkopf und zog mich hoch, dabei brach er mir die Schulter. Bis heute habe ich noch Auswirkungen von dem Bruch. Nach jeder Sitzung wollte ich unter keinen Umständen von irgendjemanden angefasst werden, weil ich die größte Angst hatte, dass ich wieder unerträgliche Schmerzen erleiden müsste.

Als ich in Deutschland war, stürzten sich sämtliche Ärzte auf mich. Die Mediziner sprachen oft von medizinischer Vernachlässigung. „Wie konnte man es nur so weit kommen lassen?“, sagten die Ärzte häufig. Ich konnte zu dem Zeitpunkt nämlich noch nicht einmal sitzen. Ich hatte eine solch starke Skoliose, dass ich auf der rechten Bauchseite saß, wenn man mich hingesetzt hat. Mein Rücken oder meine Wirbelsäule war quasi der Buchstabe C, nur andersrum. Dementsprechend habe ich meine ersten Lebensjahre im Liegen verbracht. In Deutschland wurde ich dann bereits mit sieben Jahren operiert und bekam eine Wirbelsäulenversteifung. Rückblickend kann ich sagen, dass das die beste Entscheidung war, die für mich getroffen wurde. Ich erinnere mich noch, dass mein Arzt immer wieder betont hat, was für ein schönes Mädchen ich sei und dass er mir die bestmögliche Lebensqualität ermöglichen möchte. Ob das „hübsch sein“ ein Grund dafür war, mag ich zu bezweifeln, aber es war sicher nett gemeint von ihm.

Im übrigen waren auch meine Sehnen im Leistenbereich so sehr verkürzt, dass man meine Beine nicht wirklich auseinander bekommen hat, woraufhin die Ärzte meinen Eltern ans Herz gelegt haben, eine weitere OP zu erlauben, um dem entgegenwirken zu können. Meine Mutter war vollkommen aus dem Häuschen: „Das klingt sehr gut, dann ist nämlich die Pflege sehr viel einfacher…“, woraufhin der Arzt erwiderte: „Ich fürchte nicht nur das, irgendwann…“. Zu der Zeit war ich nicht mehr ein kleines Mädchen, sondern fast auf dem Weg eine junge Frau zu werden. Ich musste jedes Mal schmunzeln, wenn mein Orthopäde solche Sprüche gebracht hat und meine Mutter damit ein wenig irritierte. Sie hat es nämlich schon immer ausgeschlossen, dass ich irgendwann ein Sexualleben haben werde.

Wenn ich zurück denke, hat er mir oft vermittelt, dass aus mir eine attraktive junge Frau werden wird, aber irgendwie erinnere ich mich auch an ein immer dazugehöriges kleines „aber“. Er hat sich zum Beispiel dafür „entschuldigt“, weil nicht das gewünschte Ergebnis nach der OP erreicht wurde. „Ich hätte dich so gerne noch gerader bekommen.“, ist zum Beispiel ein Satz, der mich noch lange beschäftigt hat.

Ich bin schön, aber nicht gerade genug… war eine Message, die mich lang begleitet hat, wenn nicht sogar noch immer begleitet. Die Korrektur meiner Wirbelsäule ist ein immer wiederkehrendes Thema, weil mich Untersuchungen diesbezüglich bis an mein Lebensende begleiten werden. Vielleicht weil das ein so großes Thema, gerade am Anfang meines Lebens und somit auch innerhalb einer sehr prägsamen Zeit war, habe ich Hemmungen mich nackt zu zeigen…wobei sich das extrem verbessert hat.

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Apropos nackt sein: als ich früher zur Toilette gegangen bin mit Bekannten oder Freunden von meinen Eltern, wurde mir oft gesagt: „Dein Zukünftiger – Katja – wird sehr glücklich über deinen Po sein!“. Einerseits war ich als Jugendliche sehr genervt von solchen Kommentaren, weil ich es zum Teil auch als übergriffig empfand. Andererseits hat es mir auch geschmeichelt, weil ich es wirklich häufig zu hören bekam. Heute fällt mir auf, dass es mein Lieblingskörperteil an mir ist. Vielleicht weil mein Po über die Jahre sehr viele Komplimente bekommen hat, aber natürlich in erster Linie, weil er mir selber sehr gut gefällt. Wenn man im Bereich der Pflege auf Assistenz angewiesen ist, ist man leider häufig den Kommentaren der Menschen ausgesetzt, die dir assistieren… so zu mindestens meine Erfahrungen. In der Familie bekam ich immer zu hören, dass ich eine Kopie meiner Tante sei. Meine Tante ist bekannt als eine wunderschöne Frau. „Du hast nicht nur ihr Gesicht, sondern auch ihre Figur. Das würde man deutlicher sehen, wenn deine Skoliose nicht wäre.“, sagte man mir. Und da war es wieder. Dieses: du bist schön, aber… Was sollte ich davon halten? Irgendwie habe ich mich über das Kompliment gefreut, aber es hat mich stark verunsichert und mir das Gefühl gegeben, dass irgendetwas an mir nicht ausreicht.

Ich muss sagen, dass ich selten aufgrund meiner Behinderung im Kindes- oder Jugendalter gehänselt wurde. Aber wenn dies der Fall war, dann hat es mich so richtig getroffen. „Bist du schwanger, oder warum hast du so einen dicken Bauch?“, wurde ich manchmal gefragt. Meine Mutter versuchte mich immer zu trösten, in dem sie erklärte, dass ich dafür nichts könnte und dass aufgrund der Skoliose sich meine Organe verschoben haben. Ich sollte mir aus den Kommentaren anderer nichts machen, aber zeitgleich sollte ich bei meiner Kleidung immer darauf achten, dass dieses „Manko“ kaschiert wird. Wahrscheinlich eher aus Schutz, um solche Situationen für mich zu vermeiden. Aber wenn man dem Kind mitgibt, eine bestimmte Körperstelle zu kaschieren, um eventuell nicht gehänselt zu werden, hilft es einem nicht dabei dazu zu stehen. Vielmehr verleiht es einem das Gefühl, dass da etwas ist, was mit dir nicht stimmt. So habe ich es jedenfalls empfunden… Als Teenie habe ich häufig davon geträumt oder mir gewünscht mich so oft, wie es nur geht unter das Messer zu legen, nur um so auszusehen, wie alle anderen Mädels in meinem Alter… Von dieser Fantasie habe ich mich längst gelöst. Wobei wenn ein heißer Typ neben mir auf dem Sofa im Wohnzimmer liegt, denke ich schon daran mich ganz schnell einer klitzekleinen OP zu unterziehen, um wenigstens ein bisschen mit seinem durchtrainierten Körper mithalten zu können. Nein, ich meine, viele Frauen haben doch in dieser Hinsicht Komplexe. Ich glaube es ist wichtig als Frau mit einer Behinderung sich von dem Gedanken zu lösen, dass die Behinderung den Körper unattraktiv macht. Jeder hat etwas an sich auszusetzen und manchmal steigern wir uns zu sehr in diese „Makel“ hinein und sehen wohl nur noch schwarz, so ist es jedenfalls bei mir.

Meine Körpererfahrungen bezüglich der Selbstbefriedigung waren sehr einfältig. Dennoch habe ich meinen Körper sehr früh auf diese Weise kennengelernt… Ich habe schnell herausgefunden, was ich tun muss, um einen Orgasmus zu bekommen. Allerdings blieben Berührungen von mir selbst komplett auf der Strecke, weil ich noch nie die Möglichkeit hatte mich am ganzen Körper selbst zu berühren. Das wirkte sich natürlich auf meine ersten sexuellen Erfahrungen aus. Fragen über Fragen beschäftigten mich, aber auch Sorgen begleiteten mich ein wenig. Wie wird es sich anfühlen, wenn ein Mann in mich eindringt? Schließlich konnte ich mich nie unten herum ertasten oder meine Finger in mich einführen. Hätte ich diese Möglichkeit gehabt, wäre ich vielleicht selbstsicherer bei meinen ersten sexuellen Erfahrungen gewesen…

Von Natur aus war ich ein faules Kind, daher hat mir das Toben nicht wirklich gefehlt. Wenn man mich in den Sandkasten setzen wollte, wollte ich lieber eine kleine Schüssel mit Sand auf meinem Fußbrett gestellt bekommen, um meine Füße in den Sand stecken zu können. Damit war ich schon überaus glücklich. Was mir allerdings aufgefallen war, dass die Kontakte meiner Eltern ein wenig gelitten haben, weil die wenigsten Freunde/Bekannte eine barrierefreie Wohnung hatten. In der Familie war das alles gar kein Problem. Es war selbstverständlich, dass ich hoch getragen werden musste. Menschen allerdings, die vorher keine Berührungen mit Menschen mit Behinderung hatten, waren eher gehemmt meine Eltern einzuladen, weil sie vielleicht glaubten, dass das ihnen Umstände bereiten würde. Ich würde nicht sagen, dass ich deshalb unter großen Schuldgefühlen litt, aber irgendwo tat es mir schon manchmal leid, dass meine Eltern weniger eingeladen wurden, weil ich eben im Rollstuhl sitze… Je älter ich wurde, desto eher waren meine Eltern unterwegs, weil ich zu Hause alleine bleiben konnte, dementsprechend erübrigte sich das Thema irgendwann.

Leider hatte ich das Los gezogen einen Familienangehörigen eine lange Zeit an meiner Seite zu haben, der absolut nicht mit meiner Behinderung zurecht kam. Ich würde dieser Person große Überforderung zuschreiben, die hin und wieder in körperlicher Gewalt ausartete, bei der ich natürlich den Kürzeren gezogen habe…der einzige Grund für diese „Aussetzer“ war mein „zu häufiges“ Rufen nachts, weil ich meine Liegeposition geändert haben wollte. Ganz schön traurig… ich weiß nicht, wie ich es euch erklären soll, aber gerade die Verbindung zwischen diesem Menschen und mir, bei der ich viel Demut und Schmerz erfahren musste, hat mich zu der Frau gemacht, die ich heute bin… So zerbrechlich und sensibel, wie ich hin und wieder sein kann, diese Lebenserfahrung hat mich stärker und selbstbewusster werden lassen. Manchmal wünschte ich mir, dass ich auf eine andere Weise gelernt hätte eine starke Persönlichkeit zu werden… Aber es ist, wie es ist und vielleicht mag es verrückt klingen, aber ich bin dankbar dafür, weil ich heute sagen kann, dass mich eigentlich nichts so leicht aus der Fassung bringt. Ich habe in dieser Beziehung gelernt, was ich mir selbst wert bin und wie ich behandelt werden möchte… Gewalt, Demut, Wertungen bezüglich meines Köpers und Schuldzuweisungen waren damals die ständigen Begleiter meiner Kinder- und Jugendzeit. Deshalb kann ich mein heutiges Leben in Freiheit in Köln umso mehr schätzen und genießen- sogar mit ausschließlich figurbetonter Kleidung 😉

Ich könnte noch so viel dazu erzählen, aber das würde hier den Rahmen sprengen.. Vielleicht gibt es ja irgendwann ein Buch von mir 😉

Ich verabschiede mich von euch bis zu meinem nächsten Artikel

Katja <3